Im TIEFGANG-Interview spricht Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen über Wege aus der Schifffahrtskrise, den Trend zu immer größeren Containerschiffen und die Zukunft der Reederei-Allianzen*. Zudem erläutert der Niederländer, warum bisher noch kein Hapag-Lloyd-Schiff den JadeWeserPort angelaufen hat.
Seit Juli 2014 stehen Sie an der Spitze von Hapag-Lloyd, Deutschlands größter Linienreederei. Wie wollen Sie sich im achten Jahr der Krise in der internationalen Handelsschifffahrt behaupten?
Wir haben das vergangene Jahr mit einem guten Ergebnis abgeschlossen, trotz eines herausfordernden Marktumfelds. Für das laufende Geschäftsjahr sind wir vorsichtig optimistisch, dass wir erneut einen Schritt nach vorne machen können. Dabei werden unsere Maßnahmenpakete im Hinblick auf Kostensenkungen sowie Effizienz- und Umsatzsteigerungen helfen, das Ziel, das wir uns gesteckt haben, zu erreichen.
Der Trend zu immer größeren Containerschiffen ist ungebrochen. So plant etwa CMA CGM, weitere neun Riesenfrachter mit jeweils 20.000 TEU zu ordern. Wird Hapag-Lloyd auch in neue Mega-Carrier investieren?
Kurzfristig nein. Mittel- und langfristig können wir uns aber eine Investition in solche Großschiffe durchaus vorstellen.
Während die Schiffe immer größer werden, geht die Entwicklung bei den Frachtraten in die entgegengesetzte Richtung. Haben die Reedereien die Schifffahrtskrise somit nicht auch zum Teil selbst verursacht? Und wie reagieren Sie auf die wachsende Überkapazität?
Wer oder was daran schuld ist, darauf kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass es ein gesundes Verhältnis von Kapazität und Nachfrage gibt. Wir gehen momentan davon aus, dass die Raten im Laufe des Jahres auf vielen Strecken steigen werden. Denn das derzeitige Ratenniveau ist für keinen der weltweiten Carrier auskömmlich.
Die Abfertigung der Mega-Carrier stellt viele Häfen vor große Herausforderungen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung – und wer profitiert von den Mega-Carriern?
Bei allen Infrastrukturprojekten kommt es darauf an, dass die Beteiligten eng zusammenarbeiten. So haben Luftfahrtunternehmen und Flughäfen gemeinsam die Herausforderungen des weltweit größten Passagierflugzeugs A380 gemeistert. Ich bin sicher, dass uns das bei den Ultra Large Vessels genauso gelingen wird. Im Übrigen bin ich überzeugt davon, dass wir im Hinblick auf Schiffsgrößen von 18.000 bis 20.000 TEU am Ende der Fahnenstange angekommen sind – nicht technologisch, aber betriebswirtschaftlich.
Hapag-Lloyd ist traditionell dem „Heimathafen“ Hamburg verbunden. Für Großcontainerschiffe jenseits 18.000 TEU gibt es dort allerdings nur vier Liegeplätze. Stößt die Infrastruktur in Hamburg künftig an ihre Grenzen?
Der Hamburger Hafen ist gegenwärtig durchaus in der Lage, solche Großschiffe abzufertigen. Damit er als drittgrößter europäischer Hafen wettbewerbs- und zukunftsfähig bleiben kann, halte ich allerdings die Elbvertiefung bzw. vor allem Elbverbreiterung für essenziell.
Der JadeWeserPort in Wilhelmshaven ist Deutschlands einziger Container-Tiefwasserhafen, in dem Mega-Carrier tideunabhängig und voll abgeladen festmachen können. Würde es sich da nicht schon aus Gründen der nautischen Erreichbarkeit anbieten, bestimmte Liniendienste innerhalb Ihrer G6-Allianz nach Wilhelmshaven zu verlagern?
Wir schauen uns die großen Häfen in Europa als G6-Allianz immer wieder an. Auch Wilhelmshaven hat bei unseren Überlegungen immer wieder eine Rolle gespielt. Für unsere derzeitige Linien-, Partner- und Kundenstruktur ist ein Anlauf von Wilhelmshaven aber nicht sinnvoll.
Was muss passieren, damit der JadeWeserPort für Hapag-Lloyd attraktiv wird?
Wie gesagt: Der Hafen muss passen – in unsere Linienstruktur, in unsere Allianzpartnerstruktur und auch in unsere Kundenstruktur. Ein beträchtlicher Teil unserer Container, die in Hamburg gelöscht werden, wird von hier aus in einem Umkreis von rund 200 Kilometern weitertransportiert. Hier verfügt Hamburg über ein gewachsenes, zuverlässiges und hochfrequentes Netz an Hinterlandverkehren.
Das Gesamt-Umschlagsvolumen in den deutschen Seehäfen wird laut der vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebenen „Seeverkehrsprognose 2030“ von 269 Millionen Tonnen im Jahr 2010 auf 468 Millionen Tonnen im Jahr 2030 steigen. Muss sich Hamburg angesichts solcher Zuwachsraten bei den Ladungsmengen nicht an der geplanten Erweiterung des JadeWeserPorts beteiligen?
Diese Frage muss die Politik beantworten. Fest steht, dass die Menge der weltweit transportierten Schiffscontainer tatsächlich Jahr für Jahr zuverlässig um rund 5 Prozent wächst – und das schon seit Jahrzehnten.
Wird zur Sicherung des Hafenstandorts Deutschland eine Hafenkooperation benötigt?
Ich halte Kooperationen in unserer Branche grundsätzlich für unabdingbar. Einzelgänger werden in einer sich immer weiter konsolidierenden und globalisierenden Branche nicht dauerhaft überleben können.
Nach der Fusion von COSCO und CSCL wird nun Neptune Orient Lines (NOL), Mutterkonzern des G6-Mitglieds APL, von CMA CGM übernommen. Die neuen Partner fahren allerdings in unterschiedlichen Allianzen – APL wird zur „Ocean Three“ wechseln, CMA CGM und COSCO haben nach der Übernahme von CSCL sogar eine neue Allianz namens Ocean Alliance aus der Taufe gehoben. Wie sehen Sie die Zukunft der Allianzen in der Containerschifffahrt und speziell die der G6 ohne APL?
Allianzen werden auch zukünftig eine wichtige Rolle spielen – auch für Hapag-Lloyd. Wir befinden uns gegenwärtig in produktiven Gesprächen mit verschiedenen potenziellen Partnern, und Sie können davon ausgehen, dass wir auch künftig einer starken und schlagkräftigen Allianz angehören werden.
Innerhalb der G6 beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit dem Thema Hinterlandverkehre. Ziel ist es, diese besser zu koordinieren und weniger Leercontainer zu transportieren. Gibt es bereits konkrete Ergebnisse?
Noch nicht. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass eine bessere Koordination mit erheblichen Einsparpotenzialen verbunden ist.
Wagen wir noch einen Blick in die Zukunft: Welche Rolle werden die deutschen Seehäfen und speziell der JadeWeserPort im Jahr 2030 spielen?
Für Norddeutschland waren die maritime Industrie und damit verbunden die entsprechenden Häfen historisch immer ein zentraler Wirtschafts- und Erwerbszweig. Ich bin mir sicher, dass das auch noch 2030 der Fall sein wird.
* BEI DRUCKLEGUNG DES INTERVIEWS MITTE MAI FÜHRTE HAPAG-LLOYD KOOPERATIONSGESPRÄCHE MIT UASC. DIE NEUE REEDEREIALLIANZ „THE ALLIANCE“ WURDE KURZ DANACH BEKANNTGEGEBEN.
Quelle: TIEFGANG#3
Fotos: (c) Hapag-Lloyd AG