Knapp 20 Jahre nach dem Auszug der letzten Bewohner Altenwerders sorgt im Süden Hamburgs eine geplante Erweiterung des Hafens wieder für Streit. Hamburg will auf den Vollhöfner Weiden Platz für Lager- und Logistikflächen schaffen. Trotz sinkender Container-Umschlagzahlen im Hamburger Hafen sei das dringend nötig, argumentiert die städtische Hafenverwaltung, die Hamburg Port Authority (HPA). Andere hafennahe Flächen seien kaum noch verfügbar. Die Umweltverbände BUND und NABU klagen gegen die Verordnung, mit der das Hafenerweiterungsgebiet im Mai 2016 zum Hafennutzungsgebiet erklärt wurde.
Wer die Vollhöfner Weiden betreten will, braucht die Erlaubnis der HPA. Unzählige Bäume prägen das Bild, vor allem Silberweiden. „Besonders wertvoll ist die über Jahrzehnte ungestörte Entwicklung des Waldes“, sagt Frederik Schawaller vom Naturschutzbund NABU. Tatsächlich sieht es hier fast aus wie in einem Urwald. Umgestürzte Bäume, zahllose Insekten und Käferarten, die auf Totholz angewiesen sind, Libellen, Schmetterlinge und nur wenige Trampelpfade. Schawaller sucht das Gelände mit dem Fernglas ab. Er entdeckt den seltenen Schlagschwirl, den Grauschnäpper und einen Eisvogel.
BUND hält umstrittene Hafenerweiterung in Hamburg für rechtswidrig
Das Gebiet ist nach Ansicht von Naturschützern immens wichtig. Auch die von der HPA beauftragten Gutachter kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. Echte Ausgleichsmaßnahmen in unmittelbarer Nähe seien „schlichtweg nicht möglich“, stellen die Gutachter fest. Mit einer Klage am Verwaltungsgericht wird nun versucht, die Pläne der HPA zu stoppen. BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch hält deren Vorgehen für rechtswidrig. Dem Hafenentwicklungsgesetz zufolge ist keine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig. „Das Gesetz ist jahrzehntealt“, sagt Quellmalz. Es gebe klare bundesrechtliche Regelungen, die Hamburg nicht einfach ignorieren könne.
Die Begründung der HPA, dass es im Hafengebiet kaum noch andere geeignete Flächen gebe, bezweifeln die Umweltverbände. Zudem gehe Hamburg verschwenderisch mit dem knappen Platz um, kritisieren die Verbände. Da würden Flächen an Unternehmen vermietet, die nichts mit dem Hafen zu tun hätten. Und das geschehe zu Dumping-Preisen. Setzt sich die HPA am Ende durch, wird von den fast 45 Hektar nur ein schmaler Grünstreifen entlang der Alten Süderelbe bleiben, insgesamt etwa 8,5 Hektar. „Die Kompensation erfolgt nach den allgemeinen Regelungen und Maßstäben des Umwelt- und Naturschutzrechts“, versichert die Behörde.
Umweltsenator spricht von einem „schmerzlichen Eingriff in die Natur“
Der grüne Umweltsenator Jens Kerstan bedauert: „Die Entscheidung zur Überführung des Gebietes war zum Zeitpunkt der Regierungsbildung im vergangenen Jahr schon so weit fortgeschritten, dass die Planung auch Teil des Koalitionsvertrages wurde.“ Er spricht von einem „schmerzlichen Eingriff in die Natur“. Für Bodenversiegelung und gefällte Bäume soll laut Gesetz Ausgleich geschaffen werden. In Hamburg selbst wird es dafür eng. Die mit fast 130 Hektar größte Ausgleichsfläche Hamburgs außerhalb der Stadtgrenze ist die Hörner Au, 50 Kilometer nördlich. Einen Ausgleich wird es für die Vollhöfner Weiden geben, allerdings nicht im Raum Altenwerder/Moorburg. Denn das ist hier, wie schon das HPA-Gutachten einräumt, gar nicht möglich. Die HPA denkt an Flächen im Landkreis Lüneburg, „die im Rahmen eines von der Hamburg Port Authority beantragten Ökopools (Grasgehege) entwickelt werden“.
In Wilhelmshaven sind erweiterbare Hafenkapazitäten vorhanden
In Deutschlands einzigem Container-Tiefwasserhafen, dem JadeWeserPort in Wilhelmshaven, ist eine Erweiterung der Hafenkapazitäten kurzfristig noch kein Thema. Allerdings wurde bereits eine Machbarkeitsstudie „JadeWeserPort II“ erstellt, in der eine Erweiterung als grundsätzlich genehmigungsfähig, technisch realisierbar und auf mittlere Sicht wirtschaftlich sinnvoll beurteilt wurde. Wenn sich die Umschlagsprognosen weiter bestätigen und erstmals mehr als eine Million Standardcontainer (TEU) im JadeWeserPort über die Kaje gehen, sollen die Bauarbeiten für ein zweites Containerterminal im Jahr 2023 beginnen, da Wilhelmshaven sonst spätestens im Jahr 2027 an seine Kapazitätsgrenze stoßen würde.
Anders als Hamburg verfügt Wilhelmshaven über erweiterbare Hafenkapazitäten am tiefen Wasser. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies regt daher an, dass sich Hamburg als auch Bremen an den weiteren Planungen für ein zweites Containerterminal im JadeWeserPort beteiligen sollten, um gemeinsam den „Hafen Deutschland“ im internationalen Wettbewerb zu stärken.
Quellen: dpa, DVV
Artikelfoto: © NABU