Hohe Energiekosten, Einbrüche im Fracht- und Containervolumen und die drängende Energiewende – die niedersächsischen Seehäfen haben spürbar zu kämpfen. „Das bereitet uns ein bisschen Sorge, die nächste Stufe wäre ein Anflug von Panik“, sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) am Freitag beim Hafentag in Stade. „Wir brauchen wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen. Wir brauchen dringend eine Entlastung für die energieintensive Industrie.“
Am Standort Stade sei es der Industrie zuletzt nicht möglich gewesen, zu wettbewerbsfähigen Preisen zu produzieren. „Dies führte – zusammen mit gleich gelagerten Schwierigkeiten auf der Seite der Kunden – zu dramatischen Umsatzeinbrüchen und Krisensituationen in den Unternehmen“, sagte André Heim, Geschäftsführer bei der Hafenmarketinggesellschaft Seaports of Niedersachsen. In der Konsequenz sei ein Großteil der Produktionsanlagen im Seehafen Stade stark heruntergefahren worden.
Das zeigt sich bei den Umschlagsmengen: Rund 1,5 Millionen Tonnen wurden im ersten Halbjahr in Stade den Angaben nach umgeschlagen, das sind 47 Prozent weniger als noch im Vorjahr. Auch die Seehäfen in Nordenham (minus 19 Prozent) und in Papenburg (minus 18 Prozent) verzeichneten in demselben Zeitraum zweistellige Verluste.
Insgesamt verluden die niedersächsischen Seehäfen in den ersten sechs Monaten rund 26 Millionen Tonnen. Der Verlust von zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sei „gar nicht so schlecht“, sagte Heim. Zumindest mit Blick auf die schwache globale Nachfrage, die hohe Inflation, gestiegene Zinsen und die hohen Energiepreise infolge des Ukrainekrieges.
Die Verladung von festen Massengütern brach nach den Zahlen der Hafengruppe um 25 Prozent ein. Noch zu Beginn des Jahres seien zwar große Mengen an Kohle umgeschlagen worden, mit der Schließung einiger Kraftwerke habe sich das aber geändert. Dafür habe sich der Umschlag flüssiger Massengüter mit einem Zuwachs von 15 Prozent positiv entwickelt. Sorgen bereite dagegen die Umschlagsmenge am Container Terminal in Wilhelmshaven: Mit knapp 294 000 Standardcontainern sank sie im Vergleich zum ersten Halbjahr vergangenen Jahres um knapp 16 Prozent.
„Generell beobachten wir seit dem 4. Quartal 2022 einen deutlichen Einbruch im weltweiten Fracht- und Containervolumen auf den volumenstarken Fahrgebieten Asien-Europa, Transpazifik und Transatlantik“ kommentiert Steffen Leuthold, Leiter Unternehmenskommunikation beim Terminalbetreiber Eurogate. „Das wirkt sich auf die Containerterminals in Deutschland unterschiedlich stark aus – abhängig von der jeweiligen Kundenstruktur sowie der Zahl der Dienste an den einzelnen Terminals. In Wilhelmshaven ist auch die Zahl der ungeplanten Anläufe, sogenannte Inducement Calls, rückläufig, da sich die Netzwerke der Reedereikunden wieder normalisiert haben und die zwischenzeitliche Überlastung anderer Häfen durch die Folgen der Pandemie zurückgegangen ist.“
„Lauter Warnruf“
Diese Entwicklung sei „mehr als ein lauter Warnruf“, sagte Wirtschaftsminister Olaf Lies. „Wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen auf lange Zeit.“ Ein gedeckelter Brückenstrompreis von sieben Cent ermögliche den ansässigen Unternehmen, Energiekosten zuverlässig einplanen zu können.
Lies forderte darüber hinaus weitere Zusagen vom Bund. „Leistungs- und zukunftsfähige Häfen und verlässliche Hinterlandanbindungen sind Grundvoraussetzung für Außenhandel, Versorgungssicherheit, Umsetzen der Energiewende und die nationale Sicherheit in Deutschland.“ Davon seien alle Regionen und Wirtschaftssektoren des Landes gleichermaßen abhängig.
Den niedersächsischen Häfen komme eine entscheidende Rolle für das Gelingen der Energiewende und die Gewährleistung einer sicheren, unabhängigen sowie bezahlbaren Energieversorgung zu. Dafür müsse Deutschland Milliarden in die Infrastruktur der Häfen investieren.
„Der Hafenausbau ist eine nationale Aufgabe“, betonte der Wirtschaftsminister. Beim 31. niedersächsischen Hafentag kamen rund 250 Vertreterinnen und Vertreter von Politik, Hafenwirtschaft, Logistikbranche, von Kommunen und Reedereien sowie von Handelskammern zusammen. Die neun Seehäfen zwischen Ems und Elbe sind Brake, Cuxhaven, Emden, Leer, Nordenham, Oldenburg, Papenburg, Stade und Wilhelmshaven.
Quelle: dpa