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Foto: JadeWeserPort/BjörnLübbe
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Schlepper am JadeWeserPort: keine Zeit für Gezeiten
Veröffentlicht am 16.06.2022

Sie sind kräftig, geschickt, sensibel – und unverzichtbar. Die Assistenzschlepper der Reederei Boluda bringen die größten Containerschiffe der Welt sicher an die Kaje des JadeWeserPort.

Das Kommando des Hafenlotsen ist kurz und präzise: „Innovation voll, Pioneer halb.“ Ann-Kathrin Bruns hat das längst kommen sehen. Schon 20 Minuten bevor die beiden Achterleinen der „Edith Maersk“ ins Wasser klatschten, hat die Kapitänin ihren Assistenzschlepper „RT Pioneer“ dicht unter das hoch aufragende Heck des riesigen Containerfrachters gesteuert, damit Matrose José da Silva die schwere Schlepptrosse an die Kollegen auf der „Edith Maersk“ übergeben kann. Jetzt beginnt das Manöver, das 397 Meter lange Schiff am Heck von der Kaje des JadeWeserPort zu ziehen. Mit einem schnellen Griff bringt die Schiffsführerin die drei kleinen Fahrthebel des Schleppers auf „halbe Fahrt“; gleichzeitig lenkt sie ihn mit kaum merklichen Drehungen, die sie an den Steuerelementen der drei Schottel-Antriebe vornimmt. Als die drei zusammen 5.100 Kilowatt starken Motoren auf Touren kommen, fühlt es sich auf der Brücke an, als spanne der Schlepper wie ein Hochleistungssportler seine Muskeln. Zeitgleich zieht das Schwesterschiff „RT Innovation“ mit voller Kraft voraus am Bug des Frachters. Im Zeitlupentempo hebt sich die schwere Schlepptrosse aus dem Wasser. „Läuft“, sagt Ann-Kathrin Bruns und lächelt entspannt.

Neben dem Ozeanriesen wirken die zwei baugleichen Assistenzschlepper zierlich. Steht man aber direkt vor ihnen, offenbaren sie ihre wahre Größe: Optisch bestehen sie nur aus Rumpf, Aufbau und der „Ridderinkhof-Winsch“ auf dem Achterdeck. „Das ist ein ganz schöner Brummer“, sagt Maschinist Wilhelm Lohmann, der für die komplexe Technik an Bord verantwortlich ist. 32 Meter lang, 12 Meter breit, sechs Meter Tiefgang. Drei schnell laufende 16-Zylinder-Dieselmotoren mit jeweils 1.700 Kilowatt Leistung verleihen dem 1999 in Dienst gestellten „RT Pioneer“ die Kraft für 80 Tonnen Pfahlzug – mehr als genug, um die „Edith Maersk“ in Bewegung zu bringen, die etwa 220.000 Tonnen Wasser verdrängt.

Schlepper halten den Welthandel in Schwung

Containerriesen wie die „Edith Maersk“ sind für die paar Hundert Meter am Anfang und am Ende ihrer Reise auf Hilfe angewiesen. „Wir sorgen dafür, dass diese Giganten schnell und sicher an- und ablegen können“, sagt die Kapitänin. Der Einsatz heute wirkt von den Rahmenbedingungen her wie ein Routinejob. Über dem Jadebusen scheint die Sonne, es ist windstill, und kurz vor dem Höchststand des auflaufenden Wassers herrscht kaum noch Strömung an der Kaje des JadeWeserPort. „Wenn es ordentlich stürmt oder Wind gegen Strom herrscht, sieht das hier ganz anders aus“, sagt Lohmann. Dennoch konzentriert sich die dreiköpfige Crew auch dieses Mal mit allen Sinnen auf den Job. „Was wir hier machen, ist nicht ganz ungefährlich“, sagt Ann-Kathrin Bruns beiläufig. Selbst die 54 Millimeter starke Drahttrosse könne ohne Vorwarnung brechen, erläutert Lohmann; in Sekundenbruchteilen entladen sich gewaltige Kräfte. Während des Schleppmanövers darf niemand an Deck sein – auch José da Silva zieht sich in den Schiffsaufbau zurück, nachdem er die Leinenverbindung zur „Edith Maersk“ hergestellt hat.

Bei der Schlepparbeit zählen Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit. Maersk, Hapag Lloyd, CMA CGM und die anderen Großreedereien, die regelmäßig den JadeWeserPort anlaufen, können sich auf die Boluda-Crews verlassen. Eine halbe Stunde vor der vereinbarten Zeit ist die „RT Pioneer“ in Position gegangen. „Man muss ein bisschen vorausdenken“, sagt Bruns. Zunächst hat sie den Frachter ein gutes Stück von der Kaje weggezogen; dann steuert die Kapitänin den Schlepper geschickt in die entstandene Lücke zwischen Bordwand und Kaimauer. „Wir müssen das Heck gleich herumziehen, damit die ,Edith Maersk‘ drehen kann“, erläutert sie.

Schneller an- und ablegen im Tiefwasserhafen

Im JadeWeserPort herrscht Hochbetrieb; dicht an dicht liegen die Containerschiffe an der Kaje. m einzigen Tiefwasserhafen Deutschlands können Schiffe jederzeit anlegen, sie müssen nicht auf die Gezeiten achten, um immer genug Wasser unter dem Kiel zu haben. Kurzzeitig lässt die „Edith Maersk“ den eigenen Propeller mit halber Kraft drehen, um das Drehmanöver zu unterstützen. Das „Schraubenwasser“ drückt den Schlepper kurz aus der Kurslinie. Doch Kapitänin und Maschinist haben dieses Manöver schon geahnt, bevor der Lotse über Funk warnt: „Edith Maersk, Schraube halbe Kraft achteraus.“ Während Wilhelm Lohmann die Schlepptrosse im Auge behält und sie jederzeit mit einem Griff zum Bremshebel lösen könnte, hantiert Ann-Kathrin Bruns geschickt mit den Fahrthebeln und den tellergroßen Steuerelementen. Der Schottelantrieb besteht aus drei jeweils um 360 Grad drehbaren Propellern unter dem Rumpf: „Damit kann man den Schlepper auf der Stelle drehen“, sagt sie. Ähnlich wie bei Wilhelm Lohmann spürt man die Begeisterung für die Arbeit. Dass sie zur See fahren wollte, stand für die junge Frau schon beim Abitur fest. Nach einem Praktikum auf einem Containerschiff und noch vor dem Nautik-Studium fiel ihre Entscheidung: „Ich gehe auf einen Schlepper.“

Seit rund zehn Jahren macht sie den Job, und ohne Zweifel machen sie und ihre Crew ihn gut. Es dauert kaum 30 Minuten, dann haben die beiden Schlepper die „Edith Maersk“ gedreht. Mit geschickten Handgriffen löst José da Silva die Leinenverbindung zum Frachter. Die „RT Pioneer“ dreht ab. Dass sie gerade konzentriert Millionenwerte und Tausende von Tonnen Stahl manövriert hat, merkt man der Crew nicht an. Entspannt genießen die drei die Ruhe im Schlepperhafen. Das Team ist 14 Tage einsatzbereit, dann folgen zwei Wochen Freiwache zu Hause. „In ein paar Stunden geht es weiter“, sagt Ann-Kathrin Bruns, und man merkt: Sie freut sich jetzt schon auf den Job.

Dieser Artikel ist in der 15. Ausgabe des TIEFGANGs erschienen, dem Kundenmagazin des JadeWeserPort. Hier können Sie alle Ausgaben herunterladen.

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