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Containerbrücken-Fahrer: Schwindelfrei über dem Kai
Veröffentlicht am 21.08.2020

Schwindelfrei über dem Kai – das muss der Fahrer einer Containerbrücke sein. Torben Lehmann liebt seinen Job in fast 50 Metern Höhe. Schwungvoll hebt der 37-Jährige Lüneburger in seinem Riesenkran mittels zweier Joysticks Tonnen schwere Stahlboxen vom Kai und setzt sie auf einen Frachter – oder hebt sie vom Frachter auf den Kai.

An diesem Abend versorgt er zwei große Carrier: die „NYK Orpheus“ (Singapur) und die „Madrid Express“ (Madeira). Beide sind rund 350 Meter lang, drumherum liegen kleinere Feeder-Schiffe, die den Weitertransport der Container in den Ostseeraum übernehmen. Von seinem Arbeitsplatz an der Süderelbe überschaut Lehmann den Hamburger Hafen und die Stadt. Auf einer Halbinsel gegenüber sind unzählige Autos zu sehen, die verladen werden sollen, dahinter Öltanks. „Die schönste Kulisse ist die Stadt bei Nacht – das ist ein Grund, warum man gern nachts arbeitet“, sagt Lehmann. „Auch die Lichtverhältnisse sind dann zum Arbeiten besser.“ Er muss hochkonzentriert sein, genau hinschauen, wo er einen Container absetzt oder mit dem sogenannten Spreader (zu Deutsch: Spreizer) greift. „Fehler können immensen Schaden verursachen, auch in den letzten zehn Minuten der Schicht“, sagt er.

„Die Stahlkonstruktion kann schon mal ins Zittern geraten“

Containerbrückenfahrer können einen großen oder zwei kleinere Standardcontainer geichzeitig heben. Dabei senkt sich der Ausleger des Krans schon mal 60 Zentimeter ab und die riesige Stahlkonstruktion könne ins Zittern geraten, sagt Lehmann. Mit Schwung fährt die Laufkatze des Krans mit der Kanzel und der an Stahlseilen hängenden Last vom Kai über das Schiff. Beim Bremsen pendelt der Container nach vorne. Der Kranfahrer lässt ihn in dem Moment nach unten und setzt ihn im Auspendeln genau auf den vorgesehenen Stapel. Den richtigen Zeitpunkt für das Absenken trifft er nach Gefühl.

Nach vier Stunden auf der Containerbrücke wird Lehmann abgelöst. Er arbeitet nun den Rest seiner Schicht auf dem Schiff als Einweiser. Über Funk oder auch nur mit einem Handzeichen gibt er seinem Kollegen in der Kanzel Anweisungen, wo ein Container genau aufgestapelt werden soll. Wie ein Frachter mit bis zu 14 000 Stahlboxen beladen werden soll, legen die Schiffsplaner fest. Dabei gibt es vieles zu beachten. Kühlcontainer und Gefahrgutbehälter haben ihre festen Plätze. Die übrigen Boxen müssen so gestapelt werden, dass sie an ihrem Zielhafen leicht erreichbar sind. Bei 19 Reihen mit bis zu neun Lagen ist das nicht immer einfach.

Umschlag ist hochgradig automatisiert

Die Container werden auf Schiffen nicht nur gestapelt, sondern auch befestigt. An Deck halten Streben die unteren Boxen, die oberen werden miteinander verhakt. Dafür müssen vier sogenannte Twistlocks in jeden Container eingesetzt werden – von Hand. Diese Arbeit verrichten Stauer. Ihre manuelle Tätigkeit mutet seltsam an, denn der Rest des Umschlags ist hochgradig automatisiert. Die Containerbrücke setzt die Boxen automatisch auf fahrerlose Transportfahrzeuge, AGV (Automated Guided Vehicle) genannt. Sie bringen die Behälter zum Blocklager, von wo aus sie mit fahrerlosen Portalkränen auf Lastwagen und Güterzüge verladen werden. 19 000 Transponder auf der eine Million Quadratmeter großen Fläche sorgen dafür, dass die AGV ihren Weg zentimetergenau finden. Bei niedrigem Akku-Stand bewegen sie sich von allein zur Ladestation und holen sich neue Energie.

Auch für Lehmann sind kurze Pausen möglich. Dann gehe er aus der Kanzel und strecke sich an der frischen Luft auf der Plattform, erzählt er. Von Stress will er nicht sprechen. Dass es einen Zeitdruck gibt, ist aber klar. „Ein Schiff im Hafen ist wie ein Taxi, das am Bahnhof wartet“, sagt Köhler. Nur um ein Vielfaches teurer. Doch Lehmann macht die Arbeit Spaß. „Große Schiffe, große Kräne – wen reizt das nicht als Mann“, sagt er. Und schnell fügt er hinzu, dass es unter den 600 Terminal-Mitarbeitern immer mehr Kolleginnen gibt, auch auf den Containerbrücken. Lehmann begeistert sich für die Dimensionen seiner Tätigkeit. Mit nur einem „Move“ bewege er das Gewicht von 40 Kleinwagen. „Wenn man an das Gewicht denkt, das man im Jahr bewegt“, sagt Lehmann – ohne den Satz zu vollenden.

Quelle: dpa
Foto: Pixabay

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