In Wilhelmshaven befindet sich nicht nur Deutschlands einziges Tiefwasser-Containerterminal, sondern auch ein behördliches Kontrollzentrum mit gleich vier Ämtern – einmalig in Deutschland. Direkt am Seehafenterminal von Nordfrost arbeiten die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), das Veterinäramt JadeWeser, die Landwirtschaftskammer Niedersachsen und bei Bedarf das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) unter einem Dach.
Von ihren Arbeitsplätzen direkt im Seehafenterminal des Logistikunternehmens für Obst und Gemüse, Nordfrost, haben die Kontrolleure der vier Behörden den gesamten Hafen im Blick. Allen voran die riesigen Kräne, die nach wie vor mit zu den größten weltweit zählen, und die Megacarrier, die Wilhelmshaven regelmäßig anlaufen. Pünktlich zum Start des Containerterminals am 21. September 2012 nahm auch die Grenzkontrolle JadeWeserPort Wilhelmshaven ihre Arbeit auf. In der Zwischenzeit hat sich das neue Containerterminal etabliert, und auch die Kontrolleure von Bund und Ländern haben nach Ankunft der Großcontainerschiffe gut zu tun. Die Aufgaben sind klar verteilt: Die Mitarbeiter der BLE kümmern sich um die Handelsklassenkontrollen von Obst und Gemüse, die der Landwirtschaftskammer um die Pflanzenschutzkontrolle, die des LAVES um die Kontrolle bestimmter Futtermittel, und die Mitarbeiter der Grenzkontrollstelle des Veterinäramts gewährleisten Hygiene und Lebensmittelsicherheit. Die meisten Container müssen jedoch nicht von allen Kontrollstellen überprüft werden. Wenn doch, werden die Termine abgestimmt.
Die Grenzkontrollstelle
Leiterin der Veterinärgrenzkontrollstelle ist die promovierte Tiermedizinerin Imke Pfeifer. Gemeinsam mit Norbert Heising, Geschäftsführer des Zweckverbands des Veterinäramts JadeWeser, und weiteren Kollegen ist sie für die Ein- und Durchfuhrkontrolle von Containern verantwortlich. Diese umfasst Lebensmittel tierischer Herkunft (wie Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Honig), sonstige Produkte tierischer Herkunft (zum Beispiel Fleisch zur Herstellung von Futtermittel, Kauknochen und unbehandelte Tierhaare) und Lebensmittel pflanzlicher Herkunft (etwa Gemüse und Früchte). Ziel der Kontrollen ist es, die Waren im Hinblick auf die Einhaltung der qualitativen und rechtlichen Bestimmungen zu prüfen und zu verhindern, dass beim Verbraucher Gesundheitsrisiken bestehen oder Tierseuchen nach Europa eingeschleppt werden. Die Ein- und Durchfuhr von Produkten tierischer Herkunft aus Drittländern, also Ländern außerhalb des Gebiets der Europäischen Union (EU), wird besonders streng überwacht.
Dokumentenkontrolle
Im ersten Schritt werden die vorgeschriebenen Einfuhrdokumente kontrolliert, beispielsweise das Originaldokument des Veterinärzertifikats des Ursprungslands. „Zudem müssen die Betriebe bei den allermeisten Produkten tierischer Herkunft für die EU zugelassen sein“, erklärt Pfeifer. Sie überprüft dies mithilfe verschiedener Datenbanken. Das Bill of Lading (B/L) muss der Grenzkontrollstelle ebenfalls vorgelegt werden. Nämlichkeitskontrolle Wenn bei der Dokumentenprüfung keine Unregelmäßigkeiten festgestellt werden, schließt sich die Nämlichkeitskontrolle an. In deren Rahmen werden die Übereinstimmung der Angaben in den Einfuhrdokumenten mit den Angaben auf der Verpackung sowie den Kartoninhalten überprüft und die Plomben kontrolliert. Diese Kontrolle muss grundsätzlich durchgeführt werden und findet dann statt, wenn der Container mit der Ware an der Rampe steht. Die Ankunft der Ware muss von der Spedition bei der Grenzkontrollstelle mindestens einen Werktag im Voraus angemeldet werden.
Warenuntersuchung
„Ob und wie intensiv wir die Ware physisch untersuchen, hängt von der Risikobeurteilung ab“, sagt Pfeifer. Diese richtet sich nach EU-Recht und berücksichtigt die Warenart und das Herkunftsland. Bei Fisch betrifft dies rund 20 Prozent der Ware. Wie viele Proben genommen werden müssen, ist ebenfalls von der EU vorgegeben. Wenn gerade Ware geprüft wird, hat zu dem penibel gereinigten Untersuchungsraum nur amtliches Personal Zutritt. Aber selbst wenn keine Warenkontrolle stattfindet, haben Besucher aus hygienischen Gründen nur mit Kittel, Fußschutz und Haarnetz Zugang zu diesem Bereich.
„Fisch wird oftmals in Zehn-Kilogramm-Blöcken gefroren angeliefert“, berichtet Pfeifer. „Dann sägen wir ein Stück ab und untersuchen es sensorisch, also hinsichtlich Aussehen, Geruch und Geschmack.“ Dazu wird der Fisch aufgetaut und weißes Fischfilet über einer Lampe auf Parasiten untersucht. „Teilweise erhitzen wir den Fisch auch in einem verschlossenen Glas, der Geruch ist hinterher noch deutlicher als im Rohzustand“, so Pfeifer. „Dann ist auch eine Geschmacksprobe möglich.“ Manchmal, beispielsweise in Verdachtsfällen, werden auch Proben genommen und zur weiterführenden Untersuchung ins amtliche Labor geschickt. Für beschlagnahmte Ware steht ein eigener Raum zur Verfügung.
Die Landwirtschaftskammer
Für den Schutz der heimischen Pflanzen kontrolliert Johan Scholtalbers, Leiter Pflanzengesundheitskontrolle der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, eingehende Container auf Schädlinge und Krankheiten. Dazu gehört auch die Untersuchung von Holzpaletten. Scholtalbers sucht beispielsweise nach Fruchtfliegen und dem etwa drei Zentimeter großen asiatischen Holzbockkäfer. Der fällt dadurch auf, dass er sich Holzgänge gräbt und Sägemehl hinterlässt. Andere Schädlinge findet er meist am Boden der Kartons, weshalb er diese auch zu Kontrollzwecken komplett entleert.
Die BLE
Wenn Obst und Gemüse aus Nicht-EU-Ländern über Wilhelmshaven in die EU eingeführt werden, kümmert sich unter anderem Klaus Böhme um die Qualität der Ware und die Einhaltung der Handelsklasse. Dazu nimmt er Stichproben von fünf bis sechs Kartons pro Container, beispielsweise von Tafeltrauben, Zitronen und Äpfeln. Gibt es Druckstellen, ist die Ware verdorben? Die Bewertung bei der Sichtprobe, für die die Früchte aufgeschnitten werden, liegt in Böhmes Händen. Was oberhalb der Toleranzgrenze liegt, wird beanstandet, aussortiert und muss vernichtet werden. Die Qualitätsmaßnahmen der Firmen seien in den vergangenen Jahren gestiegen, berichtet Böhme. Im besten Fall lautet das Ergebnis also: „Ware gesund.“
Quelle: LOGISTICS PILOT, Februar 2016
Foto: © Claudia Behrend